Samstag, 8. Oktober 2016

Vegan ja - aber woher das Gemüse? Über Solidarisches Landwirtschaften, Regionalität und Saisonalität!


 
In meiner sonnigen Mittagspause schwinge ich mich auf mein Fahrrad. Ein bisschen mehr als fünf Minuten fahre ich durchs Münchner Westend, bis ich auf dem Hinterhof eines netten Lokals stehe, vor mir an die 20 grüne Kisten. Der Besitzer dieses Restaurants ist genau wie ich Genosse in der Münchner solidarischen Landwirtschaftsgenossenschaft mit dem schönen Namen „Kartoffelkombinat“. Er stellt seinen Hinterhof als „Verteilpunkt“ zur Verfügung – hier können alle Mitglieder aus der Nachbarschaft jeden Donnerstag ihren wöchentlichen Ernteanteil abholen. Aber was soll das überhaupt: solidarisch landwirtschaften? Ist das bloß eine Mode, weil Hippie-Großstädter sich zu schade für das Gemüse aus dem Supermarkt sind?

Nahrung ist die Basis unseres Lebens, unser Treibstoff. Man sollte meinen, dass dieses Thema dem Großteil der Gesellschaft wichtig ist. Aber gerade in Deutschland wird der Wert von Lebensmitteln kaum geschätzt: vor allem billig soll es sein. Und wenn nicht billig, dann muss zumindest eine Marke aus der Fernsehwerbung draufgedruckt sein. Es geht hier aber nicht darum, dass man sich nichts anderes leisten kann. Auch Gutverdiener gehen gern in die Discounter. Der Haken? „Billige Lebensmittel für alle“ geht auf Dauer nicht auf. An vielen Stellen der Kette gibt es jemanden, der zurückstecken muss. Ganz am Anfang die Natur, die achtlos zerstört wird. Die Böden, die zur Leistungssteigerung mit nicht gerade nachhaltigen Düngemitteln und Pestiziden geplagt werden. Das Grundwasser, in die nicht nur letzteres gelangt, sondern auch zu viel Stickstoff von der Gülle (Tierhaltung – ein weiteres großes Thema...). Bauern, die nichts verdienen. Gefördert wird die weitere Intensivierung, nicht die Kleinbäuerlichkeit. Bauern, die ihre Ware nicht loswerden, weil irgendjemand auf einem anderen Kontinent noch ein paar Cent günstiger produzieren konnte. Das ist nur ein Ausschnitt der vielen verschiedenen Problemfelder.

Was fehlt, ist Bewusstsein: dafür, was alles nötig ist, um Lebensmittel zu produzieren. Dass bei Gewinnmaximierung bzw. Billigkeit zwangsläufig jemand anders bzw. viele andere sowie vieles anderes auf der Strecke bleiben. Dass wir mit der Umwelt anders umgehen müssen, wenn wir die Welt noch so erhalten wollen.

Und wenn man nun zu denen gehört, denen das zumindest ein bisschen bewusst und nicht völlig egal ist – was kann man tun? Niedergeschlagen sein voll all diesem Mist, der passiert, sich darüber aufregen und darauf warten, dass die Politik etwas ändert? Kann man machen. Aber wenn man wirklich für Veränderung sorgen will, dann kann man sich auch gleich am Aufbau eines alternativen Systems beteiligen und es so gestalten, dass keiner auf der Strecke bleibt!

Solidarische Landwirtschaft ist meines Erachtens ein großer Schritt in die richtige Richtung. Keine neue Idee und eine umso größere Chance! Das Kartoffelkombinat versorgt mittlerweile um die 800 Haushalte in München mit dem, was im Münchner Norden auf dem Acker wächst. Konsumenten haben sich direkt mit Produzenten zusammengeschlossen. Kein Großhandel dazwischen, der Preise drückt oder wahnwitzige Anforderungen stellt, wie beispielsweise die Form des Gemüses (man reduziert nebenbei also auch noch den sonst üppig anfallenden „Ausschuss“). Die Bauern können sich sicher sein, dass sie ihre Erzeugnisse loswerden. Kurze Versorgungswege! Wieso sollte ich Kartoffeln aus Ägypten essen, wenn der Bauer hier mindestens genauso gute hat? Die Leute werden anständig bezahlt. Man kann sehen, wo sein Gemüse wächst. Und sowieso kann man mitmachen – mitgärtnern, die Kisten packen, Tomatensoßen für den Winter einkochen... Hier bekommt man wieder ein Bewusstsein für Lebensmittel und ihre Qualität. Und lernt gleichzeitig Gleichgesinnte kennen. Dass alles ökologisch angebaut wird, versteht sich von selbst – alles wird so nachhaltig, transparent und fair gestaltet wie möglich. Auch seltene Sorten werden angebaut und ein paar mal hatte ich schon Dinge in der Kiste, von denen ich vorher nie gehört hatte (und das, obwohl ich schon ein bisschen herumgekommen bin in der Welt)! Es wird nicht die Tomatensorte angebaut, die am ertragreichsten, am besten transportfähig und am längsten haltbar ist, sondern die, die wirklich aromatisch ist. Sowas bekommt man im Laden selten. All das hat seinen Preis, natürlich. Wenn man etwas gut machen will, kann man keine Dumpingpreise erwarten. Aber wenn einem das alles wichtig ist, dann man es sich leisten. Punkt. Ich selbst verdiene nicht viel, aber es ist mir sehr wichtig – und ich kann an anderen Stellen sparen, für die manche mehr Geld ausgeben, als einem vielleicht bewusst ist. Ich bekomme so viel frisches Obst und Gemüse, dass ich nicht mehr viel zusätzlich einkaufen muss. Ich kann mir sicher sein, dass es aus der Region kommt und gut hergestellt wurde. Alles Dinge, die sonst einen Mehraufwand bedeuten würden, wenn man sich dessen sicher sein will. Natürlich muss man das essen, was gerade wächst. Ich ernähre mich also automatisch saisonal – das braucht dann manchmal etwas Kreativität, ist in meinen Augen aber auch ein positiver Punkt! Wenn das alles mal keine Perspektive für eine nachhaltige und faire Zukunft unserer Ernährung ist... Lasst es uns anpacken!

Weitere Infos und welche Initiativen es an welchen Orten gibt:
http://www.solidarische-landwirtschaft.org/

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